Ich habe meine wahre Heimat gefunden. Oder sie hat mich gefunden. Zumindest ist das Geheimnis um meine Herkunft gelüftet.
Seit etwa zweieinhalb Wochen sind wir nun in Kap Verde und immer wieder fragen mich Locals, ob ich von hier bin. Eigentlich fragen sie nicht. Sie sagen, dass ich’s bin. Und wenn ich dann sage, dass ich’s nicht bin, geht das „Nein-Doch“ so lange hin und her, bis sie auf meine Hautfarbe zeigen und ich ihnen meine genetischen Cocktailzutaten offenbare.
Doch trotz heimatlicher Verbundenheit wusste ich im Vorhinein wahrscheinlich noch nie so wenig über ein Reiseziel, wie über diese zehn Inseln hier. Es hatte sich aber auch wirklich niemand auf dem Boot die Mühe gemacht, vorab irgendetwas außer der Route herauszufinden. Bei genauerer Betrachtung der Ortsnamen auf der Karte kristallisierte sich allerdings meine Sorge heraus, dass dort Portugiesisch gesprochen würde. Und als wir nach sechs Tagen Überfahrt auf die erste Insel zu steuerten, zeigte sich außerdem, dass auch bei Inseln nicht immer drin ist, was draufsteht. Dieser Teil vom Kap „Verde“ war praktisch so grün wie eine Schüssel voll Cornflakes ohne Milch und genau so trocken. Am Horizont ließen sich vereinzelte Tupfer erkennen, die eventuell für Bäume oder Sträucher stehen konnten. Ansonsten zwei, drei Vulkane.
Angeblich sind andere der Inseln grüner, aber auf dieser gab es eigentlich nur Sand und Salz. Deshalb auch der Name der Insel „Ilha do Sal.“ (Salz-Insel). Die Stadt, in der wir ankerten, Palmeira, beinhaltete außerdem noch unzählige Straßenhunde, ein paar Bars und ansonsten natürlich den Alltag der Menschen. An sich sehr, sehr ruhig. Nichts Aufregendes. Außerdem war man in fünf Minuten herum. Trotzdem wurden ab und an ein paar Touris aus den blauen TUI-Jeeps gespuckt, die dann an den Wohnhäusern und Hunden vorbeigeführt wurden, ein paar Fotos machten und wieder verschwanden.
An einem Tag mieteten wir Mädels uns ein Auto und brachen auf, die Insel zu erkunden. Ein Tag war dafür definitiv ausreichend. Rein theoretisch hätte man wahrscheinlich in ein, zwei Stunden drumherum und im Zickzack hindurch fahren können. Dass wir länger brauchten lag nicht nur an den Stops, die wir offensichtlicher Weise machten, sondern auch an den Wegen selbst. War unser Städtchen noch komplett gepflastert gewesen, fanden wir uns plötzlich in der Wüste wieder, sobald die Pflastersteine versiegt waren. Die große durchgehende Straße auf der Insel entdeckten wir erst später und so wurde zuerst immer wieder aufs Neue geraten, welcher Schatten im Sand der Weg sein sollte. Wir schmuggelten uns an den Touri-Abzock-Tresen vorbei und sahen uns blaue Lagunen und Haie an, die in perfekter Touri- Reichweite schwammen und leckten an Salzfeldern. Wir fuhren an wunderschönen verlassenen Stränden vorbei, durch andere Städte und immer wieder ohne Stock über Stein und menschenleere knifflige Sandberge& -hänge rauf und runter ohne stecken zu bleiben. Den Abend verbrachten wir in Santa Maria, wo mehr los war, als in unserem Städtchen. Die Challenge war nur, anschließend die Sandwege im kompletten Dunkel zu finden. Aber irgendwann fanden wir einen Fleck, der abgelegen genug war und ließen uns auf dem Sandboden nieder (Hängematten aufzuspannen war unmöglich.- Wir hatten auf der ganzen Insel während des ganzen Tages gerade mal etwa sechs Bäume gesehen).
Nach einer Woche segelten wir dann weiter nach Mindelo auf der Insel São Vicente. 24 Stunden segeln und wir waren da. Und nicht nur wir. Eine Menge andere Segelnde und Boat Hikers (also Leute, die wie wir ein Boot getrampt hatten) waren bereits da. Darunter waren sogar einige, die die anderen unserer Crew teilweise schon in in Gran Canaria oder Gibraltar getroffen hatten. Oder welche, die von der vorherigen Insel ebenfalls rübergefahren waren. Zwei Mal trafen wir auch Leute wieder, die auch in Teneriffa ein Boot gesucht hatten und es nun auch bis hier geschafft haben. Manche waren auch nicht zufrieden mit ihrem Boot und suchten ein neues. Manche fanden eines, andere brachen auf oder kamen an… Nur einer, der aufs afrikanische Festland rübersegeln wollte, hatte schlechte Karten. Alle, die hier momentan ankommen, überqueren den Atlantik. Das liegt aber auch an der Saison.
Das Prinzip von diesem Boot-Gesuche mal schnell erklärt: Es geht darum, am Hafen herumzuhängen, Leute mit Boot anzuquatschen, zu fragen, wohin sie fahren und ob sie noch Crew suchen. Sollte man ein Boot finden, bei dem alles passt, hilft man beim Segeln (lernt darüber, macht was einem gesagt wird, übernimmt Schichten, um zu überwachen, dass das Boot nichts rammt und alles glatt läuft) und beim Kochen, Putzen oder was auch immer. Die Kosten, die für Essen und Sprit anfallen, werden geteilt. Die Fahrt sollte ansonsten in den meisten Fällen kostenlos sein. Über die Tage auf See werde ich dann nach der nächsten, längeren Passage noch einmal mehr schreiben.
Mindelo ist deutlich belebter und größer als Palmeira. Es verfügt auch über ein schönes Kulturzentrum (mit WLAN), ein Museum und viel Livemusik in den Bars abends. Eines Abends zum Beispiel, als wir uns noch nicht so gut auskannten, Renate (Mitseglerin) und ich waren mit einem ziemlich betrunkenen französischen Kapitän unterwegs, fragten wir ein paar junge Menschen, die neben einem Spielplatz chillten, wo gerade noch etwas los sei, Einer stand auf und sagte nur: „Follow me.“. Fünf Minuten später fanden wir uns wieder in einer Bar mit der schönsten Sängerin und Stimme, die wir je gehört hatten.
Das Essen, das man hier auf der Straße bzw. in den kleinen Bars/Restaurant daneben bekommt, ist ziemlich günstig. Es gibt meistens ein, zwei Gerichte pro Ort für den Tag. Leider ist es etwas schwierig, etwas ohne Fleisch zu finden. Aber wir haben inzwischen auch einen kleinen Stammplatz auf dem Marktplatz bei Georgie, einem ehemaligen Schiffskoch, der kochend um die Welt gesegelt ist und seiner Frau und die beiden wissen eigentlich schon Bescheid.
Ein Mal haben wir an einem Ort eine Mahlzeit für umgerechnet 50 Cent bekommen. Ansonsten kostet sie meistens 1,50 oder 2€. Jedenfalls kommt man billiger davon, als würde man einkaufen gehen in den Super- oder Straßenmärkten.
Heute bricht das Boot auf nach Brasilien. Und ich komme mit. 🙂 Destination Salvador de Bahia. Karneval. Aber zuerst zwei bis drei Wochen Wasser.
Pia ist gestern vom Boot herunter und wahrscheinlich gerade auf dem Weg zurück nach Teneriffa. Sie hat sich sehr schwer getan mit dem Segeln und hat sich nach langem Hin und Her dazu entschlossen, sich das nicht drei Wochen lang anzutun. Das heißt, wir reisen nun getrennt weiter. Ich komme mit dem Segeln ziemlich gut klar und verstehe mich auch super mit der Crew. Es ist ein ziemlich junges Boot. Renate ist mit 32 die Älteste. Sie ist eine Innenarchitektin aus der Schweiz, die ihren Job leid war, alles verkauft hat und für die nächsten fünf Jahre um die Welt reisen will. Craig, der Kapitän ist 27, Brite, der Erfahrenste im Segeln und hat bei einem Kriegsunglück im Militär seine Beine und den linken Arm (den Arm zur Hälfte) verloren, was ihn aber nicht am Segeln hindert. Hugo ist 22, auch Brite und schon seit Oktober auf dem Boot. Als wir damals an Bord gegangen sind, hat ein anderes Mädchen das Boot verlassen und vor ihr ein anderer. Jetzt da Pias Platz frei geworden ist, haben wir Justine mit an Bord genommen. 27jährige Französin, die bis jetzt total süß und sympathisch wirkt. Wir haben sie erst vor zwei Tagen kennengelernt. Es sind also fünf Leute auf dem Schiff.
Zig Einkaufswagen-Ladungen Essen sind gekauft, das Boot ist geputzt, genügend Filme und Bücher sind heruntergeladen. Es kann los gehen…
Liebe Frida, ich freue mich total über deinen Blog und die unterhaltsamen Beschreibungen eurer Tour! Cool! Mega. Ihr verpasst hier in good old borring Germany auch nix, nix was die Welt bewegen konnte. Liebste Grüße, Annett & die Berlin Gang
Fridi alte Socke du machst ja sachen. Respekt
Gute Fahrt und weiterhin viel Freude unterwegs. Klingt nach einer sehr netten Besatzung 💕
(der Kommentar eben war von mir, Ina :-)!), liebe Grüße aus Deutschland