Senegal 03

Schon als ich zum ersten Mal im Senegal gewesen war, hatte eine Sache ganz besonders meine Aufmerksamkeit geweckt. Senegalesisches Wrestling oder Ringen, auch Lamb genannt. Ein Jahrhunderte alter Nationalsport, der meist auf Sand ausgetragen wird und viel Folklore mit sich bringt (etwa durch die musikalische Begleitung der Kämpfe, Tanz oder durch performance-artige Vorbereitungen der Kämpfer selbst sowohl in ihrem Viertel als auch in der Arena).

Als ich nun nach den Kapverden wieder zurück in Dakar war, machte ich mich also daran, Genaueres über Kämpfe und Trainings herauszufinden. Die meisten Kämpfe schienen an Wocheneden in der Nationalarena im Stadtteil Pikine stattzufinden. Online konnte ich keine konkreten Termine dafür finden, also suchte ich auf Instagram nach Menschen, die mir vielleicht weiterhelfen konnten. Ich schrieb ein paar senegalesische Sport- Fotografen an und verabredete mich mit einem davon für den kommenden Sonntag gegen 15 Uhr an der Arena. An besagtem Sonntagnachmittag stand ich nun vor den Mauern der Sportanlage. Ich war überraschend unkompliziert mit nur einem Mal umsteigen nach Pikine gekommen (mit jeder Fahrt erweiterte sich allmählich mein Überblick über das städtische Busnetz) und anschließend durch die Straßen des Wohnviertels Richtung Arena gelaufen. Nur anscheinend aus der falschen Richtung. Jetzt lief ich immer weiter entlang der Mauer, ohne einen Eingang zu finden. Schließlich konnte ich den Haupteingang durch einen Zaun hindurch in ein paar hundert Metern Entfernung erkennen, stellte aber fest, dass ich in einer Sackgasse gelandet war. Der Fotograf hatte mich bereits mehrmals angerufen und um nicht noch mehr Zeit mit einem zusätzlichen Umweg zu verschwenden, kletterte ich kurzerhand über die Absperrung und auf das Gelände. Damit hatte ich, wie ich feststellte, praktischer Weise auch schon die Einlasskontrolle übergangen. Perfekt, schließlich hatte ich weder ein Ticket, noch eine Presse-Akkreditierung. Der Fotograf, dem ich mich angeschlossen hatte, erspähte mich dann von der anderen Seite des Zauns und bedeutete mir, auf ihn zu warten, bis er selbst auf das Gelände gelangt war, denn er hatte auch noch keine Akkreditierung. Während ich so da stand, versuchte ich so autorisiert wie möglich auszusehen. Es dauerte nur zwei Minuten, bis mich trotzdem jemand ansprach. „Was machen Sie denn hier?“ Ich erklärte dem Mitarbeiter, dass ich eine Fotografin aus Deutschland war und nicht hatte herausfinden können, wie ich mich regulär hätte anmelden können. Auf seine Nachfrage, wie ich denn auf das Gelände gekommen war, deutete ich wage in die Richtung, aus der ich gekommen war. „Komm mal mit“, sagte dann der Mann. „Wir suchen den Zuständigen für die Akkreditierung.“ Während er noch herumtelefonierte, liefen wir entlang der Arena, diesmal diesseits der Mauer. Ich drehte mich immer wieder nach dem anderen Fotografen um, sah von ihm aber keine Spur. Ich beschloss, erstmal keine unnötigen Komplikationen zu verursachen und folgte wortlos dem Mitarbeiter, der sich mir als Jean-Paul vorstellte. Als wir schließlich den Akkreditierer gefunden hatten, erklärte ich ihm abermals, was mich hierher verschlagen hatte. Er ließ mich wissen, dass der Zugang für die Presse durchaus limitiert war und dass er normalerweise weit im Voraus vergeben wurde. Da ich ja nun aber bereits den weiten Weg aus Deutschland gekommen war, würde er schauen, ob vielleicht eines der begehrten Bändchen übrig bleiben würde. Und ich könne ihm im Nachhinein gerne ein paar der Fotos und Videos zuschicken. Der Akkreditierer nahm mich mit zum Eingang, durch den die Kämpfer die Arena betraten und nach ein wenig Wartezeit und ein bisschen zusätzlichem Diskutieren mit den Sicherheitsmännern vor dem Eingang, wurde ich dann tatsächlich in die Presseecke gelassen.

Der Fotograf, den ich ursprünglich angeschrieben hatte, schaffte es schließlich auch noch irgendwie zugelassen zu werden, schlussendlich connecteten wir dann aber auch nicht weiter. Stattdessen kam ich mit einem Journalisten neben mir ins Gespräch, der mich bereits am Eingang angesprochen hatte. Er teilte seine Videos von den Kämpfen auf Youtube und arbeitete außerdem für einen Fernsehsender. Wie es der Zufall wollte, wohnte er in der gleichen Gegend wie Silly, mein Kumpel von Couchsurfing. Nach einer Woche bei einer Freundin im Norden der Stadt zog ich am Tag wie geplant auch wieder südlicher in die Siedlung HLM 2. Der Youtuber wohnte in HLM 3 und wie er mir mitteilte, wohnte auch ein Wrestler gleich in HLM 1. Am nächsten Tag hatte Bibi, der Youtuber, ein Interview mit diesem Wrestler geplant, also kam ich auch vorbei. Der Kämpfer nannte sich ‚Doumou HLM‘ oder auch ‚Boy Ghetto‘ und wohnte tatsächlich nur die Straße runter von mir. Er begrüßte einen praktisch schon, bevor man ihn in Person sah. An mehreren Wänden in seinem Häuserblock hingen Poster mit seinem Foto. In dem Stil, wie nicht nur solche Banner sondern auch Fan-Shirts bedruckt wurden. Fan schien in diesem Sport allgemein ziemlich deckungsgleich mit Nachbar:in zu sein. Zumindest war der Support für einen Wrestler in seinem eigenen Viertel besonders groß.

In den folgenden Tagen besuchte ich mit Bibi Promo-Veranstaltungen von Wrestlern als Vorbereitung auf ihren bevorstehenden Kampf in der Arena und eine Aufzeichnung eines Wrestling-Fernsehsenders. Letztere Formate mit zwei eingeladenen Kämpfern hießen „Face to Face“ und ich hatte angenommen, dass es sich dabei um einen Kampf handelte. Als ich vor Ort feststellte, dass in der Sendung nicht gekämpft, sondern nur geredet wurde (auf Wolof, wovon ich nichts verstehen würde) und ich außerdem drinnen nicht fotografieren durfte, war ich mäßig begeistert. Es war ein Face Off zwischen zwei Star-Kämpfern und den für den Auftakt geplanten Nachwuchskämpfern, die zu einem Termin im August in der Arena gegeneinander antreten würden. Dem verbalen Schlagabtausch, den sie sich jetzt schon mal lieferten, konnte ich natürlich nicht folgen, aber das Chaos, das zwischendurch ausbrach, sorgte dann doch noch für genügend Entertainment.

Das nächste Wochenende verbrachte ich wieder in der Arena. Für den Samstag hatte ich mich im Vorfeld auf die Presse-Liste setzen lassen. Für den Sonntag war mir gesagt worden, könnte ich einfach nach dem Samstags-Turnier in der Arena mit den Organisatoren für den nächsten Tag sprechen. Die Kämpfe wurden immer von einem anderen Promoter organisiert, weshalb man dafür auch immer einen anderen Kontakt ausfindig machen musste. Die zwei Herren von der Promotionsfirma vertrösteten mich aber nur auf mögliche Restplätze am nächsten Tag, da sie ihre Vorab-Liste schon geschlossen hatten.

Am nächsten Tag stand ich also um 12 Uhr vor dem Eingang mit anderen Journalist:innen, die durch den Zaun hindurch versuchten, die Aufmerksamkeit und das Mitleid des Akkreditierers zu erhaschen. Dieser Akkreditierer aber ließ sich nicht erweichen. Die Menschen auf der Liste bekamen ihre Bändchen sowie schließlich noch ein paar zusätzliche Leute, die wahrscheinlich einen guten Draht zu ihm hatten. Bibi war einer davon, ich nicht. Ich stand also letztendendes drei Stunden lang vor dem Eingang und beobachtete, wie meine Geduld langsam nachließ. Heute wäre meine letzte Gelegenheit, einen Kampf zu besuchen, bevor ich Dakar in ein paar Tagen verlassen würde. Außerdem war das Tournier sonntags bedeutender, als die Kämpfe, die samstags stattfanden (gestern waren deshalb auch gefühlt überwiegend Kinder im Publikum gewesen). Und zudem würde Boy Ghetto aus HLM antreten, was ich gerne gesehen und festgehalten hätte. Mir war klar, dass das der Lauf der Dinge war, wenn einem nicht aufgrund eines Reisepass-Privilegs immer sämtliche Türen geöffnet wurden. Ich fragt mich allerdings schon, ob die Promotoren denn keine internationale Presse wollten und konnte dafür keine logischen Argumente finden. Platz war drinnen schließlich genug. Ich beschwor also schließlich meinen inneren kleinen Alman herauf und ging auf die Security-Jungs am Einlass zu, um mich bei jemandes Vorgesetzten zu beschweren. Jean-Paul, der mich bei meinem ersten Besuch aufgelesen hatte, hatte ich bereits angerufen (er hatte zwar an diesem Tag frei, hatte mir aber immerhin die Nummer eines Kollegen geschickt) und ich war bereit bis zum mobilen Kaffee-Verkäufer alle meine Kontakte in der Arena zu mobilisieren, sollte es nötig sein. Ich hatte gerade erst nach einem Verantwortlichen gefragt, da wurde ich plötzlich reingelassen und der Akkreditierer lotste mich persönlich durch die Kontrollen bis hinein in die Arena. Bibi meinte später, der Akkreditierer habe mir nicht vor den anderen Presse-Leuten, die nicht reingekommen waren, eine Extrawurst geben wollen. Ich fand allerdings, in diesem Fall wäre das Einfachste gewesen, mich mit dem selben Kugelschreiber wortlos auf die handgeschriebene Liste der Auserwählten zu setzen. Aber gut, ich war ja jetzt drin und beschwerte mich nicht mehr.

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