Mauretanien 03

Ich saß im Auto mit der mauretanischen Rap-Delegation, wir fuhren entlang der senegalesischen Grenze und aus den Boxen dröhnte Sido. Nur die Checkpoints und die Esel konnten uns aufhalten, ansonsten bretterten wir nur so dahin, entlang der Flussarme und Felder.
Thidé
Wohnungssuche. Nouakchott. Löcher, Kamele und ein Roadtrip mit mauretanischen Rappern und Sido. Nachdem ich in Nouakchott, der mauretanischen Hauptstadt, angekommen war, ging ich von meinem Hostel aus auf Wohnungssuche. Ich wollte zumindest erstmal für Februar etwas mieten und eine Weile an einem Ort bleiben. Ich lief also kreuz und quer durch die Stadt, um ein Gefühl für die verschiedenen Stadtviertel zu bekommen. Dann ging es in den Bereichen, die ich für mich als wohnenswert eingestuft hatte, an die Handarbeit. Security-Leute, potentielle Nachbar:innen und Verkäufer:innen in den kleineren Läden fragte ich, ob sie von einem freien Zimmer in der Nachbarschaft wüssten. Schließlich wurde ich in einem Restaurant fündig. Ich hatte dort etwas Reis mit Gurke und Tomate (veggie, u know the deal) zu Mittag gegessen und dort verirrten sich offenbar ein paar mehr Europäer:innen hin, als in das billigere Restaurant in der hintersten Ecke des Handy-Läden-Komplexes, in dem ich bisher immer gegessen hatte. Ich fragte also zwei Französisch sprechende Weiße, ob sie zur Miete wohnten und wie sie ihre Unterkünfte gefunden hatten. Sie fügten mich zu WhatsApp-Expat-Gruppen hinzu und so fand ich schließlich mein Zimmer.
Es sei leider nur noch den Februar über frei, hatte mir mein zukünftiger Mitbewohner Issam am Telefon gesagt. Danach würde jemand dort neu einziehen. Ein möbliertes Zimmer in einer auf Langzeit eingerichteten WG – ohne Langzeit-Comittment, es klang wie der ideale Deal. Das Haus befand sich in einer ruhigen, gehobeneren Nachbarschaft und war auf fünf Leute ausgelegt. Außer mir wohnten dort aktuell noch Issam, Chloé und Ulysse. Alle aus Frankreich und für die Arbeit hier. In diesem mauretanischen Februar lernte ich wahrscheinlich mehr Rapper kennen, als irgendeine andere Berufsgruppe. (Die französischen NGO-Leute in der Stadt mal ausgenommen). Plan war es, einen Artikel über Jugendkultur in Mauretanien für das Magazin zenith zu schreiben und wir hatten uns auf Rap als konkreteres Thema geeinigt. Den ersten Rapper lernte ich durch eine Podiumsdiskussion in einer Kunstgalerie kennen. Dabei saß er natürlich auf dem Podium und ich im Publikum. Im Gewusel danach kamen wir dann aber ins Gespräch und tauschten Nummern aus. Er hieß Le Baron, im echten Leben Ivan und ließ sich nicht nur von mir interviewen, sondern nahm mich auch gleich zu Veranstaltungen mit und schließlich sogar zu einem Trip mit Rappern über’s Wochenende:
Am einem Donnerstagmorgen saß ich also mit der mauretanischen Rap-Delegation im Auto, wir fuhren entlang der senegalesischen Grenze und aus den Boxen dröhnte Sido. Nur die Checkpoints und die Esel konnten uns aufhalten, ansonsten bretterten wir nur so dahin, entlang an Flussarmen und Feldern. Außer Ivan und mir waren im Auto noch ein Rapper namens Roi Hems und seine Frau Malika, eine Fotografin und Kulturschaffende. Hems wohnte mittlerweile seit über zehn Jahren in Hannover, war aber grade da, um ein Computerzentrum in dem Dorf Thidé einzuweihen, in dem er seine Kindheit verbracht hatte. Er sang im Auto alte Xavier Naidoo-Lieder und „den besten Rapper Deutschlands“ und ich grinste nur so in mich hinein, während er das deutsche Kulturgut verbreitete. Im Dorf angekommen wurden wir von einem Empfangskomitee mit Chor begrüßt. Am nächsten Tag stieß noch Sänger Abda MC samt Entourage dazu. Untergebracht wurden wir alle im Gemeindezentrum.
Es wurden ein paar schöne Tage. Alle Städter fingen sich ständig die distelartigen Kletten ein, die auf dem Boden lagen (oder die menschlichen Kinder-Kletten, die so neugierig auf den Besuch waren) aber es tat gut, ein wenig aus der Stadt raus zu sein. Malika organisierte ein paar Gesprächsrunden mit den Frauen des Dorfes, um ihnen Tipps zur Organisation und Ausbau ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten zu geben.
Am Samstag stand dann schließlich die Einweihung des Computerzentrums an. Hems und Malika hatten das Projekt mit Unterstützung der Deutschen Botschaft angestoßen. Hems hatte gebrauchte Computer aus Deutschland hergeschickt und nach Monaten des Planens und Bauens, war das Zentrum nun bereit zur Einweihung. Wirklich eingeweiht wurde es dann aber erst, nachdem gefühlt wirklich jede:r Beteiligte eine Rede gehalten hatte. Nachdem das Band durchgeschnitten war, waren dann aber alle leicht emotional und glücklich, dass das Projekt schließlich offiziell realisiert worden war.
Ansonsten meldete ich mich in Nouakchott für einen wöchentlichen Salsa-Kurs an, ging zum ersten Mal zu einem Kamelrennen und meldete mich spontan freiwillig als Fotografin für eine Boules-Meisterschaft. Sonst war die Stadt recht ruhig. Mir wurde immer wieder prophezeit, man würde sich hier nur langweilen. Nouackchott und Mauretanien insgesamt hatten irgendwie keine Lobby. Zudem hatten sie wenig Events oder öffentliche Orte und ein Alkoholverbot (wobei sich Expats welchen über die Arbeit bestellen konnten und dann eher im Privaten feierten). All das war aber nichts, was einer eher introvertierten Einzelgängerin ohne FOMO wirklich Angst machen konnte. Wenn ich nicht Rappern nachjagte, wurde ich also kreativ was weitere Beschäftigungen anging. Zum Beispiel begleitete ich meinen Mitbewohner Issam bei seiner Arbeit, während er und sein Team Tests für ein zukünftiges Abwassersystem durchführten, um das Ganze zu dokumentieren. Praktisch hieß das, ich machte Fotos von Löchern. Mit und ohne Abwasser. Klingt zwar nicht so, aber ich hatte die Zeit meines Lebens. Weitere Leute im Rap Biz, die ich kennenlernte, waren ein Produzent namens Monzbeat und Rapper Authentique, der mit ihm zusammen ein Studio im Süden der Stadt hatte. Wir sprachen über alles, was ich wissen wollte und ich schaute Monzbeat ein wenig beim Produzieren über die Schulter, sowohl im eigenen, als auch im Studio der Produktionsfirma 07 Productions.
Außerdem hatte ich über seinen Manager einen Rapper namens Mozbi angefragt, der diesen Monat ein größeres Konzert spielen würde. Nachdem das Konzert einmal verschoben worden war, fand es dann doch noch Ende des Monats statt. Passenderweise weigerte sich gerade an diesem Tag meine Kamera sich aufladen zu lassen. Ich hatte vormittags noch Issams Löcher fotografiert, musste nun aber zusehen, wie die letzten paar Prozent der Batterie langsam vor meinen Augen dahin flossen. Aber gut, ein paar Nerven und Anrufe später, konnte ich mir glücklicherweise auf die Schnelle noch eine Kamera leihen.
Ein paar Tage nach dem Konzert traf ich Mozbi dann noch in seinem Viertel. Sein neustes Album hieß „Ghetto Star“ und während wir durch die Straßen liefen, sprachen wir über den Ghetto-Teil. Der ‚Star‘ erschloss sich auf unserer Runde von selbst. Immer wieder kamen Kinder angelaufen, um sich ein High-Five abzuholen, Jugendliche wollten Fotos machen und auch Erwachsene sprachen ihm ihren Respekt aus. Es war einfach wholesome anzusehen.
Als der Februar zu Ende ging, zog ich in eine andere French-people-WG nur zwei Ecken weiter. Dort würde ich in einem Zelt schlafen – im Zimmer. (Ein Innenzelt war quasi als Moskitonetz aufgestellt worden). Ich stellte mich auf einen ruhigen März ein. Ramadan stand vor der Tür. Aber dann verschlug es mich plötzlich erstmal in den Senegal… ———————————————————————————————————————————————————————————————— Der Text zur Story: https://yangiblog.com/rap-rim-der-sound-mauretaniens/ Alle erwähnten Rapper einmal hier: Mozbi: https://youtu.be/3Dab960gnYQ?si=ikklDgPLS0dUQcKC Roi Hems& Abda MC: https://youtu.be/Cbj-gMb7i6A?si=8I59dbskyV7m-ZIi Le Baron: https://youtu.be/WVJQs_tAsSk?si=wjp5nD_psMGzujFL Authentique: https://youtu.be/RyNap_a2sww?si=GtGq1MRgagiRoQae