Köln- Barcelona

Erstes Update: Schon drei Wochen draußen in der Welt und weder beklaut, noch vergewaltigt.

Was bisher geschah:

Meine Reise begann am 21.11. Nach einem spontanen Motivationsanfall meinerseits, unbedingt heute schon fahren zu wollen- und nicht erst einen Tag später-, gefolgt von einem Rucksackspeedpack- und Organisationsrekord, der gerade abfahrpünktlich beendet war. Und zwar mit einer gemütlich langweiligen Flixbusfahrt nach Salzburg. Wie ich danach (günstig aber einsam) nach Barcelona kommen würde, würde ich mir dann überlegen müssen. Zwar war ich schon getrampt, aber nie alleine und die halbe Menschheit schien mir auch davon abzuraten. Schon auf dem ersten Linienbussitz in Salzburg lachte mich eine verlassene wunderbare Regenjacke an, die inzwischen meine treue Begleiterin geworden ist und auch Mozart schien mir von allen Plakaten, Kugeln und Gedenktafeln wohl gesonnen zu zulächeln. Der Überraschungsbesuch bei meiner Cousine funzte wie geplant und wir verbrachten erstmal zwei, drei gute Tage. Wie das Schicksal es wollte entdeckte meine liebes Cousinchen dann zufällig auf couchsurfing einen 39 jährigen Russen, der ausgerechnet von St. Petersburg über Österreich nach Barcelona trampte und gerade dieses Wochenende in Salzburg vorbeikam. Einen Tag später waren wir ein Team.

Salzburg ließ uns am nächsten Morgen allerdings erst einmal drei Stunden im Regen stehen, bis uns ein liebenswürdiges polnisch-italienisches Pärchen mit nach München nahm. Dort kamen wir dann bei einem motorrad- und russischbegeisterten Couchsurfer unter und ließen uns den ganzen Abend lang von lustigen russischen Musikvideos unterhalten.

Mein neuer Travel- Buddy heißt Sergio und lebt in „der besten Stadt Russlands“, Sankt Petersburg. Dort ist er Yogalehrer und verkauft Yogamatten. Momentan ist er aber seit etwa einem Monat unterwegs nach Barcelona, um von dort aus seinen Flug nach Teneriffa zu kriegen. Dort wird er dann erstmal ein paar Wochen in eine Höhle ziehen.  Tatsächlich hat er schon einmal sieben Monate in derselben gelebt. Umgeben von weiteren Hippies in weiteren Höhlen. Es ist eine „kamfortaaaibel Cave“ direkt am Meer. Sein English ist „no very good“, aber es macht mich immer wieder glücklich und reicht im Grunde aus. Nur meine Witze versteht er leider nie, -aber das ist vielleicht auch besser für ihn. Eigentlich möchte er auch lieber Spanisch lernen. Während einer Südamerika- Reise, bei der er natürlich kein Wort Spanisch sprach, aber alle dachten, er sei schwul, hat sich er entschieden, sich von Sergeij („ser (span.:sein) gay“) in Sergio umzutaufen. (Jegliche andere Anrede wird von ihm seitdem übrigens umgehend zuückgewiesen.) Sein Rucksack ist etwa halb so groß wie meiner (ich glaube, er hat aber auch nur zwei T-Shirts und zwei Unterhosen). Und immer wenn ich unsere Umrisse sehe in den Schaufensterscheiben der Straßen, durch die wir laufen, sehen wir aus wie zwei Ameisen, von denen ich die deutlich kleinere bin, die mit ihrem riesigen Stein auf dem Rücken in einigen Metern Entfernung hinterherhechelt und etwas größenwahnsinnig aussieht. (Ich sortier ja auch schon aus…). Wir laufen generell sehr viel, weil Sergio sich vor einer Weile von Teneriffa hat abschieben lassen, weil sein Visum abgelaufen war und er kein Geld mehr für ein Rückflugticket hatte. Deshalb kann er es sich jetzt nicht leisten, in Bahn oder Bus kontrolliert zu werden und für ein Ticket sind wir zu geizig. In der Regel laufen wir also je drei bis fünf Kilometer am Stück. Erstmal abends zu unseren Gastgeber*innen, dann immer wieder innerhalb der Stadt und morgens zur Autobahn. Sergio ist normalerweise sehr sparsam. Wir essen nach dem Frühstück eigentlich nichts- außer vielleicht einer Banane und kochen, wenn’s nach ihm geht und unsere Gastgebenden nix veggiemäßiges haben, abends trockenen Reis mit Gurke. Er kauft aber jedes Mal im Supermarkt noch Käse und Schokolade oder Kekse (\“I very love sweetie.“). Wenn wir in einer Stadt ankommen, suchen wir erst mal MCdonald’s (oder eine vergleichbar bequeme WLAN-Anzapf-Zentrale) und benutzen das WLAN, um uns einen Schlafplatz zu organisieren. Wir verstehen uns gut. Inzwischen haben wir auch schon gezwungenermaßen die ein oder andere Single-Matratze teilen müssen. (-Da geht das mit dem Zusammenwachsen manchmal plötzlich schneller und bildlicher als gedacht.)

Von München ging es unter anderem mit einem drogenaffinien Dachdecker und einem niedlichen und großzügigen jungen Pärchen nach Zürich. Ersterer erzählte uns auch, dass „die Schweizer Regeln noch mehr lieben, als die Deutschen.“. Auch wenn das für Sergio schon schwer vorstellbar war, wurde sein Vorstellungsvermögen in der Schweiz angekommen vor eine noch größere Probe gestellt. „6 Juros for one Kofi Americano? Whot is de faak?!“. -Und der Kaffe war nicht das Einzige, dessen Preis zum Staunen einlud.

Der Host, den wir dann auf couchsurfing fanden, schickte uns zu einer Adresse, die sich bei unserer Ankunft als eine Salsabar herausstellte. Dort absolvierte unser Host, ein charismatischer Vietnam-Franzose mit großer Leidenschaft und Talent fürs Zeichnen seine erste Salsastunde und es gab eine anschließende Party.

Zürich

Am nächsten Tag wollten wir dann von Zürich nach Genf kommen. Beim Warten auf Anhaltende trafen wir einen polnischen Tramper, der genau den gleichen Reise-Plan wie ich hatte (trampen, um ein Segelboot zu trampen), aber unsere Wege trennten sich schnell, als wir nach Bern mitgenommen wurden. Von dort kamen wir erstmal nicht weiter, weshalb wir eine Nacht dort blieben. Wir waren nicht so weit gekommen in den letzten Tagen und ich machte mir langsam etwas Sorgen um Sergios Flug, bzw. ob er es an Bord schaffen würde. Es war ein Rennen gegen die Zeit… (damdamdaaam…)

Aber das Schicksal hat ein Herz für Hippies.

An einem scheinbar gewöhnlichen Novembermorgen traten ein teefanatischer Yogalehrer und ein unglaublich sympathisches Mädchen mit Dreadlocks auf die Straßen der Hauptstadt des Schokoladenmonopols. Den Rucksack auf dem Rücken und das Pappschild in der Hand bahnten sie sich ihren Weg. Ihre Straßen waren gesäumt von säuberlich akkurat gestapelten und zusammen geschnürten Papiermüllpäckchen. (Ich dachte erst, das sei die Post. Sogar noch den Müll ordnen und einzeln zusammenschnüren. Woht is de faak?). Sie waren auf dem Weg zu einem Punkt, von dem sie hofften, eine Fahrt zu erhaschen, die sie ihrem Ziel wieder ein Stückchen näher bringen würde. Weit würden sie wohl nicht kommen, aber sie übten sich in Geduld. Zeitgleich machte sich eine junge Frau mit ihrem Wohnauto auf den Weg zu einer Lehrerin einer indischen Religion in Südfrankreich, kurz vor der spanischem Grenze. Sie hatte die Nacht bei einer Freundin verbracht und brachte diese an diesem Morgen noch zur Arbeit. Auf die Mitfahrgelegenheit, die sie auf blablacar gestellt hatte, hatte sie keine Anfrage erhalten und so äußerte sie ihrer Freundin gegenüber beim Abschied scherzhaft den Wunsch: „Vielleicht finde ich ja ein paar Tramper unterwegs.“.

Etwa drei Minuten später bog sie um die Kurve, in der diese Schicksale zusammenlaufen sollten.

Und jetzt liege ich auf einem fahrenden Bett mit Ausblick auf die Berge. Mit einer Decke verdeckt, als illegale Mitfahrerin. Der Hintergrund singt Hare Krishna und Sergio lernt gerade, wie man Zigaretten rollt. Und das Beste: diese Fabienne fährt wirklich etwa drei unserer Tagesetappen auf einmal bis nach Perpignon.

Rein theoretisch könnten wir morgen in Barcelona sein. (Stand 28.11.)

13:11.: Prolog: Und das waren wir dann auch. Nach einem Abend bei zwei Einfach-Nur-Cliché- Franzosen und ein paar Berührungen mit Gelbwesten-Protestierenden auf der Autobahn, trennten sich kurz vor Barcelona Sergios und meine Wege. Und ich zog erstmal für ein, zwei Wochen zu einem Freund in einem Vorort von Barcelona.

2 Kommentare zu „Köln- Barcelona“

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