Essaouira – Dakhla

Es waren meine letzten Tage in Marokko. Ich wollte langsam die Küste hinunter Richtung Westsahara und schließlich zur mauretanischen Grenze.

Bleiben wollte ich auf der Strecke erstmal nur in Agadir und Essaouira. Die frankophile Familie, die mich im Landesinneren aufgabelte, war Zucker. Der Vater deklarierte das Auto zur Arabisch-freien Zone und nachdem ich mir sein Vertrauen mit Keksen erkauft hatte, traute sich auch der etwa fünfjährige Sohn direkt das Wort an die fremde Frau in seinem Auto zu richten. Der Vater, der als Physiklehrer arbeitete, interessierte sich sehr für meine Art zu reisen. Er wurde ein wenig sentimental, als er erzählte, dass er früher auch gerne mal einfach so losgezogen wäre. Als ich ihm von Couchsurfing erzählte, wollte er es gleich selbst versuchen – samt Frau und Kind im Schlepp.

Houdaifa

An diesem Tag schaffte ich es nur bis Taroudant. Dort kam ich spontan bei Houdaifa unter. Sein Herzensprojekt war ein Videopodcast, in dem er Reisende zu ihren Reiseerlebnissen  und -erfahrungen interviewte. Seit zwei Jahren schon, immer eine Person pro Folge. Veröffentlicht hatte er davon bisher aber noch keine einzige. Erstmal genügend Folgen sammeln, hatte er sich gesagt. Erstmal die Postproduktion erledigen, die er aufgeschoben hatte. Erstmal dies, erstmal das. Mittlerweile hatte er aber selbst das Gefühl, dass es langsam mal Zeit wurde, den Schritt zu wagen. Das Jahr würde in zwei Wochen zu Ende gehen und nahm ihm die Challenge ab, bis dahin alles fertig zu machen und mit dem neuen Jahr seinen YouTube -Kanal zu starten. Er gab mir die Hand drauf.

 

In Agadir landete ich dann in einem gehobeneren Wohnkomplex. Der Couchsurfer dort verdiente sein Geld mit irgendetwas, das seinerseits am Tag nicht mehr als ein/zwei Stunden Arbeit erforderte, wie er mir versicherte, aber völlig legal war. Seine Freizeit schien er mit Fußball gucken und -Wetten und Videospielen zu verbringen. Abends war es dann Zeit für Party. Und zwar jeden Abend. In den Bars und Clubs, in die er und seine Jungs gingen, kostete die Flasche für einen Tisch 150€. Er ging deshalb meistens in Begleitung eines spendierfreudigen Kumpels, der sich, nebenbei bemerkt, nicht nur das, sondern etwa auch eine Zweitfrau leisten zu können schien. Die Nächte verbrachte dieser Kumpel dann aber anscheinend weder mit der einen, noch mit der anderen Frau, sondern in der Wohnung meines Couchsurfers. Weil zur gleichen Zeit zwei weitere Couchsurferinnen im Schlafzimmer schliefen, musste ich im Wohnzimmer erst warten, bis die Männers schließlich Richtung Club loszogen, bis ich mich dort schlafen legen konnte. Ich blieb nicht länger als zwei Nächte.

 

Ich machte mich also schnell auf den Weg nach Essaouira, einer, wie ich gehört hatte, kleinen Fischerstadt mit Hippie-Vibes. Nachdem ich dort abends angekommen war, verließ ich nur noch kurz mein Hostel, um mir etwas zu essen zu suchen. Dabei wurde ich dann aber direkt von ein paar Leuten angequatscht, die in einem Schmuckladen hingen. Letztendlich verbrachten wir die nächsten Stunden zusammen und ich ließ mich zum besten Imbiss, der gemütlichsten Kneipe und an den Strand mitschleppen.

In meinem Hostelzimmer war ich eindeutig das Kücken. Als ich kam, schlief dort bereits eine Kandierin um die 50. Sie lebte in Kanada auf einem Campingplatz und verdiente ihr Geld mit Saisonarbeit, um dann die andere Hälfte das Jahres anderswo zu verbringen. Zu uns gesellte sich am nächsten Tag eine 69-jährige kettenrauchende Griechin, die nach dem Tod ihres Mannes doch noch die Welt entdecken wollte. Und das letzte Bett übernahm schließlich eine Iranerin, schätzungsweise um die 60, die in Großbritannien lebte und vor dem Winter geflohen war. Aus unerfindlichen Gründen war sie schon in den meisten deutschen Städten gewesen. Am liebsten mochte sie Freiburg und wollte unbedingt noch nach Hannover.

Essaouira:

 

Nach drei Tagen in Essaouira wollte ich Richtung Grenze aufbrechen.

Kurz hinter Agadir wurde ich von einem LKW aufgegabelt, der nach Mauretanien fuhr. Sein Tempo war allerdings so gemütlich und wr hielten so oft an, dass wir für die ersten 600km bis Laayoun knapp 24 Stunden brauchten. Schlafenspause machten wir dabei respektvoll Fuß an Kopf auf dem einzigen Bett.

Laayoun ist die größte Stadt des umstrittenen Territoriums der Westsahara, das Marokko noch als Teil seines Staatsgebiets beansprucht. Da ich dort weder eine billige Unterkunft, noch Couch fand, blieb ich einfach an Bord des LKWs und fuhr nach einem kurzen Besuch beim Vater des LKW-Fahrers direkt weiter bis nach Dakhla.

Layoun

Dakhla ist die letzte größere Stadt vor der mauretanischen Grenze. Ich blieb letztendlich eine Woche und das bei Mohamed, einem sehr, sehr redefreudigen Couchsurfer, der wie viele andere Leute hier aus einem nördlicheren Teil Marokkos hinunter in den Süden gezogen war. Aufgrund der Baustellen und Neubaugebiete konnte man der Stadt direkt beim Wachsen zusehen.

Hotels

In der Stadt war es das ganze Jahr über sonnig und wegen des Windes besonders gut geeignet zum Kitesurfen, was einen erheblichen Teil des Tourismus dort ausmachte. Der Couchsurfer arbeitete freelance als Fotograf für Wassersport und Ausflugstouren. Aufgrund einiger glücklicher Zufälle konnte ich deshalb an zwei Tagen umsonst und zum ersten Mal in meinem Leben an Quad-Exkursionen teilnehmen.  

An Heiligabend ging ich in die einzige Kirche in der Stadt, die vor allem von afrikanischen Migrant:innen betrieben zu werden schien. Die paar westlichen Touris, die sich wegen der Feierlichkeiten auch hier hin verirrt hatten, sahen anfangs etwas verstört aus, als zum Gloria getrommelt und getanzt wurde.

 

Das ganze Westsahara-Ding schien erwartungsgemäß auch, wenn nicht vor allem, hier vor Ort ein heikles Thema zu sein. In Marokko war mir bisher niemand begegnet, der dieses Gebiet nicht als zweifelsfrei und immer schon marokkanisch benannte. Alle Unabhängigkeitsbestrebungen wurden als Fakenews und Gehirnwäsche abgetan. Der einzige Local, den ich hier dazu fragen konnte, war ein Geschäftsmann aus Layoun, der mich schließlich per Anhalter mit zur Grenze nahm. Gemäß den Erzählungen seiner Eltern und Großeltern meinte er, sei das Land nie marokkanisch gewesen. Die marokkanische Besatzung betrachtet er aber noch als die Beste aller vermeintlichen Lösungen.

Nach drei/vier Stunden gemeinsamen Roadtrips zu französischem Party-Rap und Lebensgeschichten waren wir schließlich am Ziel angekommen.

Next stop: Mauritania.